ANTIGONE
von Sophokles, Übersetzung Friedrich Hölderlin, Bearbeitung Martin Walser
Der Krieg in Theben ist vorbei. Im Kampf um den Thron erschlugen sich die beiden Brüder Polyneikes und Eteokles gegenseitig auf dem Schlachtfeld. Ersterer zog als Verbannter gegen seine eigene Stadt und den eigenen Bruder in den Krieg. Und nun verbietet der neue König Kreon, Polyneikes rechtmäßig beisetzen zu lassen. Vor den Toren der Stadt soll der Tote auf offenem Feld liegen bleiben, den Vögeln und Hunden zum Fraß. Antigone, seine Schwester, kann das nicht zulassen. Auch Polyneikes gebühre das Menschenrecht auf Bestattung. Dass jede Zuwiderhandlung gegen Kreons Befehl mit dem Tod bestraft wird, ist ihr egal. Kompromisslos stellt sie ihre Wertvorstellungen und Argumente Kreons Herrschaftslogik entgegen. Und der vollzieht erbarmungslos das Gesetz, niemand kann ihn umstimmen. Der Streit spaltet Theben und führt zu noch mehr Toten. Sophokles hat mit Antigone eine der wichtigsten Frauenfiguren der Theaterliteratur erschaffen, deren Schicksal wie kein anderes für den Konflikt des Individuums mit dem Staat steht. Susanne Schmelcher untersucht den antiken Stoff vor dem Hintergrund unseres heutigen Demokratieverständnisses, in dem Recht nicht gottgegeben oder von Autoritäten verordnet wird, sondern immer wieder aufs Neue kollektiv ausgehandelt werden muss.
Theater Konstanz, Stadttheater
Premiere: 24. November 2023
Regie: Susanne Schmelcher
Bühne und Kostüm: Franziska Smolarek
Musik: Svea Kirschmeier
Dramaturgie: Sabrina Toyen
Mit: Anne Rohde, Lilian Prent, Sarah Siri Lee König, Jana Alexia Rödiger, Ingo Biermann, Finn Engelkes, Jasper Diedrichsen
Fotos: Ilja Mess
PRESSESTIMMEN
"Das Theater Konstanz wendet sich einer Aktualisierungserzählung von "Antigone" in der Inszenierung von Susanne Schmelcher zu. Mit der Zerstörung der Männlichkeit wird auch suggeriert, dass vielleicht nach dem Ende eines Krieges anders gehandelt werden könnte. (...) Ingo Biermann ist ein grandioser Kreon: am Anfang eitel von sich eingenommen, mit seinem Sohn dann kumpanenhaft Bier aus der Flasche trinkend. Am Ende ist er ein zerstörter Mann, der seine Familie verloren hat. Alle Männlichkeit zerfetzt, das spielt er groß aus. (…) Rohde spielt die Todessehnsucht der Antigone leise aus. Sie ist keine Empörerin, sondern eher introvertiert. Dabei staunt sie darüber, wie das selbstverständliche Gebot außer Kraft gesetzt werden kann, ohne dass sich jemand dagegen regt. (...) "Tanzen ist besser als töten.": Was Schmelcher/Kirschmeier aufzeigen, ist, wie mit dem Ende eines Krieges die Gesellschaft ihre Ziele demokratisch aushandeln müssen. Dazu war Kreon nicht bereit. Ob er nun als zerstörter Mann dazu bereit ist?"
Manfred Jahnke / Die deutsche Bühne Online / 25.11.2023
"Die Figuren greifen. Die zeitlose Geschichte wird lebendig. Wie Anne Rohde als Antigone mit grosser Klarheit und Sturheit ihrer Überzeugung folgt, wie sie trotz Konflikt an ihrer Schwester, an ihren toten Brüdern hängt, wie sie Kreon trotzt, wie sie mit ihrem Todesurteil ringt. Wie Ismene (Lilian Prent) um ihre Schwester Angst aussteht. Wie Kreon (Ingo Biermann) den Staat führen will, weil man eben so führt, und dann langsam die Erkenntnis in ihn sickert, dass er sich furchtbar geirrt hat. Wie Hämon (Fynn Engelkes) vorsichtig und immer bestimmter gegen seinen Vater aufbegehrt. Wie Tiresias (Sara Siri Lee König) die Wahrheit offenbart, denn er kann nicht anders. Das ist packend. Und berührend. Die alte Geschichte, sie ergreift uns noch heute."
Julia Nehmiz / Thurgauer Zeitung / 27.11.2023
"Die Regisseurin kleidet Sophokles‘ antiken Stoff sprichwörtlich in neues Gewand und spricht mit dem Stück auch die Schrecken der Gegenwart an. (...) Ebenso eindringlich sind bisweilen die Gesangs- und Performanceelemente (Musikalische Leitung: Svea Kirschmeier). Sie nehmen rhythmisch und klanglich Stimmungen des Stücks auf und verstärken textlich die Bezüge des Stoffs zu unserer Lebenswelt."
Franziska Spanner / Saiten St. Gallen / 27.11.2023