BÜRCKEL! - FRAU GAULEITER STEHT IHREN MANN (UA)
von Peter Roos
Der pfälzische Gauleiter Josef Bürckel war als einer der mächtigsten Funktionäre des Nationalsozialismus ab 1926 Gauleiter der Saarpfalz. Hitler, mit dem er in direktem Kontakt stand und dem er bedingungslos ergeben war, ernannte ihn später auch zum Reichskomissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Reich. 1939 und 1940 war er Gauleiter in Wien, wo er zusammen mit Adolf Eichmann die Massendeportationen der Wiener Juden organisierte. 1940 war Bürckel maßgeblich verantwortlich für die Deportation von 6.538 Juden aus Baden und der Saarpfalz ins französische Internierungslager Gurs. Bürckel starb 1944 in Neustadt an der Weinstraße. Bis heute gilt er als eine schillernde Figur der NS-Führungselite, in weiten Teilen der Pfalz blieb er lange Zeit geachtet wegen seiner legendären Jovialität, wegen der Beibehaltung seines pfälzischen Dialekts und vor allem als angeblicher Erfinder der Deutschen Weinstraße. Anlässlich des 80. Jahrestages der Deportation der Pfälzer Juden nach Gurs hat der Autor Peter Roos dieses Stück geschrieben, das Bürckels Frau Hilde in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung mit dessen Grauensherrschaft stellt.
Pfalztheater Kaiserslautern, Großes Haus
Premiere: 01. Oktober 2020
Regie: Susanne Schmelcher
Bühne und Kostüme: Marion Hauer
Dramaturgie: Andrea Wittstock/ Andreas Bronkalla
Mit: Hannelore Bähr
Fotos: Thomas Brenner
"Obgleich der Text präzise die Widersprüche einer Mitläuferin offenlegt, ja, all ihre Verachtung, ihren Zorn, ihre Verzweiflung und perversen Versuche der Schuldumkehr, nach der die Zeit der Entnazifizierung sie zur eigentlichen Jüdin gemacht habe, zum Ausdruck bringt, läuft sich das Selbstgespräch rasch leer. Kompensativ dazu brillieren in der Inszenierung am Pfalztheater in Kaiserslautern Schmelchers Regie und das Bühnenbild von Marion Hauer. [...] Gerade in einer Epoche wieder erstarkender Nationalismen und rechter Ideologien gleicht das Stück einem theatralischen Mahnmal. Es dekonstruiert die Mechanismen von Verdrängung und Relativierung und diskutiert einhellig die Notwendigkeit kollektiver wie individueller Verantwortung."
Björn Hayer / Deutsche Bühne / 02.10.2020
"Die Inszenierung von Susanne Schmelcher verzichtet – bis auf die kurze Einspielung einer Agitation aus unseren Tagen – auf vordergründige Aktualisierungen und setzt umso wirkungsvoller auf sparsame Gesten, kleine Andeutungen, dezente Apercus […], die Bühnenbildnerin Marion Hauer in eine Szenerie aus Pfälzerwald-Kulisse und Propaganda-Lautsprechern gestellt hat. […] Der Spagat zwischen Gattin und Heimchen, Bewunderung und Unverständnis, Zorn und Rechtfertigung gerät zur schauspielerischen Meisterleistung. Die wunderbare Hannelore Bähr [...] brilliert auf einem Tour-de-Force-Ritt der Gefühle, der alle Seelen- und Geistesregungen der Frau Gauleiter auslotet."
Rainer Dick / Die Rheinpfalz / 05.10.2020